20 Jahre agiles Manifest - Ein Rückblick und Ausblick

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Eine Welle in der Softwareentwicklung wurde losgetreten, von der keiner ahnen konnte, wie sich dadurch grundlegend die Entwicklungsprojekte verändern. Inzwischen kommt man als Softwaretester oder -entwickler kaum an agilen Methoden vorbei und immer noch ändert sich die Arbeitswelt, denn eine der Ideen ist es, eine ständige Verbesserung herbeizuführen.

Der Anfang

Vor zwanzig Jahren, vom 11. bis 13. Februar 2001, trafen sich 17 Softwareentwickler in den amerikanischen Rocky Mountains, um ein ein paar Tage gemeinsam zu verbringen. Dabei wollten sie u.a. Ski fahren, entspannen, zusammen Essen, miteinander reden und dabei Gemeinsamkeiten in ihren beruflichen Betätigungsfeldern finden.

In diesen Diskussionen kristallisierte sich immer mehr eine gewisse Notwendigkeit heraus, pragmatischere Ansätze als Alternative zu den damals vorherrschenden schwergewichtigen und dokumentationsgesteuerten Softwareentwicklungsprojekte zu etablieren.

Und dennoch muss man zugeben, dass das agile Manifest nicht die ersten Überlegungen diesbezüglich waren. Denn schon 1993 wurde Scrum erfunden, übrigens von Jeff Sutherland und Ken Schwaber, zwei Unterzeichnern des agilen Manifests. Und auch 1999 kam das erste Buch zu Extreme Programming von Kent Beck heraus. Aber das agile Manifest beschrieb neue Grundsätze in einfachen Sätzen, die sich leicht merken ließen.

Das agile Manifest

Aus dieser Gruppe von 17 Softwareentwicklern entstand also die Idee, wie sie sich zukünftige Softwareentwicklungsprojekte vorstellen und schrieben dies in vier kurzen, einprägsamen Werten auf, das agile Manifest.

 

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Bild: Das Agile Manifest. (Klicken zum Vergrößern) [Quelle: Ward Cunningham

 

Natürlich waren diese Punkte anfangs mehr als Vision zu verstehen und wahrscheinlich konnten die Unterzeichner auch nicht gleich am ersten Arbeitstag die Werte umsetzen, aber es zeigte sich über die Monate und Jahre, dass die Kernpunkte dieses agilen Manifests die Softwareprojekte revolutionierten. Besonders hervorzuheben ist aber die Wortwahl agil, denn die Bedeutung wendig bzw. beweglich trifft auf alle Punkte des Mainfests zu. Denn bis dahin wurden ihre Vorläufer noch leichtgewichtig genannt.

Was passierte dann?

Da sich die vier Werte noch nicht für die Projekte einfach umsetzen ließen, entstanden dazu ergänzend 12 Prinzipien, die noch genauer die neue Arbeitsweise beschreiben. Diese halfen vielen Softwareentwicklern, diesen neuen Spirit in ihre Projekte zu bringen und so einen Mehrwert zu erhalten.

Dennoch blieben einige Punkte unbeantwortet und deshalb entstanden immer mehr konkretere Umsetzungen und Vorgehensmodelle, vielfach sogar vorangetrieben von einem der Unterzeichner. So entwickelten sich Scrum und Extreme Programming weiter und es entstanden eine Vielzahl neuer agilen Methoden wie DSDM, FDD, ASD, Crystal und Pragmatic Programming von den Begründern des Manifests.

Zwischenzeitlich zeigten sich auch aus der Industrie Interessen weiterer Standardisierung und auch die Teams wollten sich weiterbilden, so dass hier unterschiedlichen Organisationen Erweiterungen bzw. Standardisierungen vorantrieben. Dazu zählen die Scrum Alliance, Scrum Inc., Scrum.org, aber auch Erweiterungen davon wie SAFe, Scrum of Scrums und weitere.

Der Erfolg dahinter

Es ist nicht so ganz einfach auszumachen, weshalb die agile Arbeitswelt inzwischen solch hohen Anklang findet. Denn es ist nicht immer einfach, z.B. die Eigenverantwortung der Teammitglieder zu wecken oder die Teams gegenüber einem Product Owner so zu stärken, dass sie auch bei drohender Überlastung Arbeitspakete ablehnen dürfen.

Aber ich denke, dass eine der Stärken die Förderung der Kommunikation ist. Denn in fast keinem Vorgehensmodell außerhalb der Agilität wird diese so stark propagiert. In Scrum² kann es beispielsweise schon passieren, dass bis zu 50 % der Arbeitszeit mit eingeplanten Meetings verwendet, aber dennoch eine gleich hohe und oftmals sogar höhere Leistung erreicht wird. Ich kann mir vorstellen, dass dies anfänglich kaum zu glauben ist und natürlich nicht von Anfang an so eintritt. Aber viele Projekte haben dies schon bewiesen.

Status Quo und Zukunft

Nach aktuellen Ermittlungen im State of Agile Report 2020 (SAR20) werden in 95% aller Unternehmen agile Methoden angewandt. Das heißt zwar noch lange nicht, dass sich alle Softwareentwicklungsprojekte danach richten, aber im Grunde sind agile Methoden in alle Unternehmen vorgedrungen und das scheinbar mit Erfolg.

Es gibt natürlich neben den schon anfangs erwähnten Gründen eine Vielzahl weiterer Gründe, weshalb die Agilität inzwischen so erfolgreich wurde. Unter den meistgenannten Gründen laut SAR20 sind die Erhöhung der Ausliefergeschwindigkeit der Software, das bessere Managen von Prioritäten einer Änderung, aber auch die Produktivitätssteigerung, Verbesserung der Geschäftsausrichtung aber auch die Erhöhung der Qualität.

Natürlich werden sich die agilen Methoden weiterentwickeln und damit die Durchführung der Projekte. Es ist schwer vorherzusagen, wohin es geht. Aber seit ein paar Jahren ist festzustellen, dass auch in anderen Organisationseinheiten die Vorzüge der agilen Arbeitsweise übernommen werden. So arbeiten schon viele Marketing-Abteilungen danach und ich hörte auch schon von agilen Ansätzen in Buchhaltungs-Abteilungen oder auch in der Logistik in der Kommissionierung. Wahrscheinlich ist dies nur ein logischer Schritt, dass letztendlich in allen Feldern der Arbeitswelt die Agilität Einzug hält.

Herzlichen Glückwunsch zum 20-jährigen Bestehen des agilen Manifests und ich bin gespannt auf die Zukunft! Ich möchte gerne mit diesen Werten meinen beruflichen Weg weiter gehen. Und wie sieht es bei Ihnen aus?

²Literaturempfehlung: Scrum - ein Buch über Zusammenarbeit von Jeff Sutherland und James O. Coplien, Verlag Vahlen (Veröffentlichung voraussichtlich 31. März 2021)

 

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Veröffentlicht am 04.Februar 2021

Aktualisiert am 07.Mai 2024

Moritz Salein

Senior Testmanager und Test Automation Engineer

Moritz Salein ist seit über 20 Jahren in der IT tätig, aber vor über 10 Jahren begann seine Passion des Softwaretestens. Seit dieser Zeit übernahm er immer mehr Aufgaben die im Softwaretest, Testmanagement und auch ganz speziell in der Testautomatisierung anfallen. Dadurch war er in den unterschiedlichsten, meist international aufgestellten Unternehmen und Projekten beschäftigt. Auch in der agilen Softwareentwicklung fand er großen Gefallen, so dass er schon seit über 8 Jahren Erfahrungen mit verschiedensten Vorgehensweisen, wie Scrum, Kanban oder SAFe sammeln konnte. Er war als Senior Testmanager und Test Automation Engineer bei Qytera tätig.

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